Kristiansand

(FT) Ich genieße diese Morgende. Jakob und Robin legen pünktlich um fünf Uhr in Hönö ab, nachdem sie das Boot fit gemacht haben. Ich schlafe etwas länger, wie sonst auch, um die beiden später abzulösen. Heute nicht! Bei dem Geruch von Spirituskocher, Kaffee und Zigaretten werde ich wach. Jakob telefoniert, es geht ums Wetter. Nachdem ich mich aufraffen kann, stehe ich auch auf und schlurfe noch im Halbschlaf zur Reling und pinkle. Der Wind ist arschkalt und ich auf einmal hellwach. Auf diesen Tag haben wir alle lange gewartet und schöner könnte er kaum sein. Mit Kurs West verlassen wir die Göteborger Schären. Im Osten über den Schären geht die Sonne auf und wir können seit langer Zeit zum ersten mal wieder ein kleines Stück offene See, ein kleines Stück Freiheit besegeln. Herrlich.

Nach einer viel zu kurzen Zeit auf dem Wasser erreichen wir das nur 35 Meilen entfernte Skagen. Ein Ort, den ich schon seit meiner frühesten Kindheit sehen wollte. Nach unserer ersten Erkundungstour bestimmen wir einstimmig Skagen zu einem sehr besonderen und wunderschönen Hafen, der unseren Erwartungen mehr als gerecht wird. Durch die besondere Lage an der Landspitze zwischen Kattegat und Skagerrak, Ost-und Nordsee ist es hier besonders hyggelig (gemütlich, angenehm, nett). Auch holen wir Tjark, einen guten Freund, vom Bahnhof ab, welcher uns in den kommenden Tagen mit viel Tatendrang und kreativen Ideen zur Seite stehen wird.

Wir verbringen einige weitere Tage in Skagen, erkunden die Spitze und feiern unseren zwanzigsten Geburtstag. Das Geburtstagsfrühstück ergattern wir bei Feinkost Albrecht, wo wir uns die gesamten Vorräte der frisch aufgebackenen Schokocroissants sichern. Anschliessend gehen wir ins Jakobs Café um das Frühstück mit einem Kaffee zu veredeln. Eigentlich machen wir den ganzen Tag nichts anderes.  Kaffee trinken, lecker essen und unsere prall gefüllten Bäuche der Sonne entgegen strecken. Wir lassen es uns richtig gut gehen.

Am 15 September machen wir uns auf, in das 90 Meilen entfernte Kristiansand in Norwegen. Es ist Tjarks erster Segeltörn und abwechslungsreicher könnte er kaum sein. Es ist wirklich alles dabei, wenig Wind und Spi, zunehmend mehr Wind und reffen, sowie Wetterleuchten, phosphoreszierende Algen, viele Fischer, das Einlaufen in die Schären und einen Motorausfall mit anschließendem Anleger unter Segeln. Nach 30 Stunden haben wir alle noch wackelige Beine, als wir auf dem Steg stehen, doch so haben wir auch seit längerem eine neue Gastlandflagge im Rigg die uns daran erinnert, wieder in einem neuen Land zu sein. Das ist immer noch sehr aufregend und freudig gestimmt begeben wir uns ein weiteres Mal auf Erkundungstour.

Kristiansand ist eine im ersten Moment überwältigende Stadt. Es ist unglaublich sauber hier. Es ist auch unglaublich teuer und so werden wir uns wohl in Sachen Sparsamkeit  üben müssen. In der Stadt leben 89 000 Menschen. Gemeinsam bilden sie die sechst größte Stadt Norwegens und sind die Hauptstadt des Sörlandet (Südland).

Um uns mit den Einheimischen bekannt zu machen, wollen wir feiern gehen. Soweit zumindest der Plan. Mit gutem Essen und Bier bereiten wir uns bestmöglich vor und gehen dann pflichtbewusst um halb eins in die Stadt. Es ist eine belebte Partystadt, im Zentrum reihen sich die Klubs aneinander und auf der Straße ist ordentlich was los. Schade nur, dass um zwei Uhr alle Klubs zumachen und wir, nicht vorbereitet, viel zu spät dran sind. Um zwei Uhr ist die Stadt proppenvoll von gut angeheiterten Menschen, welche in Massen die Fressbuden plündern. In einem großen Durcheinander spricht jeder mit jedem. Überrascht sind wir darüber, dass wir uns auf Dänisch ohne Probleme mit den Norwegern verständigen können. Einer sagt zu mir, „Ja es ist gut deutsch und dänisch zu lernen, denn dann bekommt mann zwei sprachen gratis dazu. Nämlich Schwedisch und Norwegisch“.

Auch sind wir darüber überrascht wie viele Studenten wir hier treffen. Das erklärt sich mir, als ich, wie üblich in jeder neuen Stadt Recherche betreibe. Dabei verlasse ich mich stets auf die wohl größte Enzyklopädie die es im Internet zu finden gibt. Wikipedia eignet sich meines Erachtens nach wunderbar zum Reisen. Die Universität in Agder gehört mit 9100 Studenten zu den Größten des Landes.

Auch finde ich heraus, dass die ersten Anfänge der Stadt bis in das Steinzeitalter zurückreichen. Erst 1641 folgte die offizielle Gründung der Stadt durch den dänisch-norwegischen König Christian IV, dessen Ziel es war, einen neuen Handelsmittelpunkt und einen militärischen Stützpunkt an der südnorwegischen Küste zu schaffen.

Durch Brände wurde die Stadt mehrmals stark beschädigt. Deswegen wurde der sonst so typische Holzhäuserbau verboten. In Folge des in dieser Zeit vorherrschenden Historismus wurden Kirchen und öffentliche Gebäude im Stil der Gotik und Romantik sowie Bürgerhäuser oft im Stil der Antike oder Renaissance neu errichtet.

Für uns ergibt sich daher ein interessantes Stadtbild, welches auch durch die besondere Sauberkeit an Ausdruck gewinnt.